Interpretation von Kurzgeschichten: Sprachliche Mittel

Kapitel 10

Bildhafte Figuren
Bei der Optik haben wir schon ein paar genannt, die Alliteration zum Beispiel, sowie den Nominalstil und den Verbalstil. Hier nun ein kleiner Überblick über die so genannten bildhaften Figuren. Da gibt es zum Beispiel den Vergleich, das Symbol, die Metapher, den Euphemismus und die Ironie, um ein paar der bekannteren zu nennen. Gemeinsam haben sie alle, dass sie nicht direkt sagen, was sie meinen, wir es aber trotzdem verstehen (wenn sie gut sind!).

Niemand würde bei dem Satz: “Er log das Blaue vom Himmel herunter” wirklich denken,  jemand lügt, und der Himmel verliert deswegen seine blaue Farbe. Es soll nur veranschaulicht werden, in welch ungeheurem Ausmaß dieser Jemand lügt. Oder wenn der Hals einer Person als “Schwanenhals” beschrieben wird, heißt das nicht, dass sie tatsächlich den Hals eines Schwans besitzt. Der Text möchte nur klar machen, dass ihr Hals besonders lang und elegant ist.

Vergleich
Den Vergleich erkennt ihr leicht an den Wörtchen wie und als. Es wird eine Person, ein Ding, eine Situation, eine Handlung oder ein Vorgang mit etwas anderem verglichen.

Beispiel: Sie konnte singen wie eine Lerche. Er war stark wie ein Stier. Im Haus stank es wie in einer öffentlichen Toilette. Er rannte schneller als das Licht.

Symbol
Damit einem ein Symbol auffällt, muss man eine einigermaßen gute Allgemeinbildung haben. Wenn man nicht weiß, dass eine Taube für Frieden, ein Löwe für Mut oder die Farbe Grün zum Beispiel für die Hoffnung steht, dann weiß man es eben nicht und sieht diese Symbole nicht. Sie können in einem Text aber eine sehr reichhaltige Quelle für die Interpretation sein.

Lest euch doch in diesem Beitrag ein bisschen in die Symbolkunde ein: Bildbeschreibung

Metaphern
Metaphern tauchen immer dann auf, wenn jemand “im übertragenen Sinne” spricht. Das könnt ihr euch vielleicht besser merken, wenn ihr an eine Fremdsprache denkt oder euch vorstellt, ihr wäret ein Alien, das neu auf der Erde ist (oder wahlweise Sheldon Cooper).
Wenn man in einer Sprache oder einer Kultur nicht heimisch ist, wird es schwer bis unmöglich, Metaphern zu verstehen, weil man sie einfach nicht wörtlich nehmen darf.
Die Engländer verwenden beispielsweise die Metapher: to throw somebody under the bus. Es ist falsch, wenn ihr das wörtlich übersetzt mit: jemanden unter/vor den Bus werfen. Denn es bedeutet, jemanden zugunsten des eigenen Vorteils im Stich zu lassen, verraten oder ausliefern. Es entspricht unserer Metapher: jemanden den Wölfen zum Fraß vorwerfen.

Oft sind Metaphern einfach nur zusammengesetzte Substantive, wobei ein Teil der wörtliche ist und der andere die Übertragung. Könnt ihr die folgenden Substantive richtig “übersetzen” und euch denken, warum man den übertragenen Teil gewählt hat?

  • Baumkrone
  • Rabeneltern
  • Bücherwurm
  • Stielaugen

Metaphern umfassen aber eben auch ganze Sätze. Damit befinden wir uns auf dem Gebiet der Redewendungen, Redensarten und Sprichwörter.

  • Dieses Ereignis hat uns allen den Boden unter den Füßen weggezogen.
  • Die Katze frisst uns noch die Haare vom Kopf.
  • Er musste lange im Trüben fischen.
  • Wir haben uns vor Lachen gebogen!

Ihr seht, Metaphern sind nichts Aufregendes, wir benutzen sie ständig. Metaphern werden dann aufregend, wenn sie aus dem Rahmen fallen (huch, das war eine Metapher!) oder wenn sie konstant in eine bestimmte Richtung gehen. Zum Beispiel nur Tod und Krankheit oder auch überall mit Glück.

Euphemismus
Euphemismus bedeutet, etwas mit netteren Worten zu umschreiben, meistens bei Begriffen, die man aus gesellschaftlichen Gründen nur ungern konkret ausspricht. Zum Beispiel sagen viele Leute nicht “Er ist gestorben” sondern “Er ist von uns gegangen”. Das macht keinen Unterschied im Ergebnis, hört sich aber irgendwie netter an, könnte ja sein, dass er wiederkommt. Ebenfalls ungern sagt man jemandem auf den Kopf zu, er sei dick, deshalb umschreibt man es schön mit “kurvig” oder “üppig”. Man sagt auch nicht “Sie ist ja wieder völlig betrunken” sondern “Sie hat wohl zu tief ins Glas geschaut”. Das kann natürlich auch zur Folge haben, dass Dinge banalisiert werden, die eigentlich nicht banalisiert werden sollten.

Ironie
Ironie ist da etwas hinterhältiger. Bei Ironie hört es sich nur so an, als würde jemand etwas Nettes sagen, in Wirklichkeit meint man aber genau das Gegenteil. Innerhalb eines persönlichen Gespräches ist Ironie natürlich leichter zu erkennen, weil die Mimik des Sprechers meistens das Gegenteil von dem ausdrückt, was er sagt. An der Inkongruenz merken wir dann, dass etwas nicht stimmt. Wenn jemand auf eine Geschichte oder einen Witz mit “Haha – wie witzig!” reagiert, merken wir an Tonfall und Gesichtsausdruck, dass er oder sie es gar nicht witzig findet.

Aber wie macht das ein Schriftsteller, den man nicht sieht? Man bedient sich z.B. des Mittels der Über- oder Untertreibung. Das geht natürlich nur, wenn man mit dem Leser eine gemeinsame Ausgangsbasis teilt, sodass dieser auch weiß, wann diese Normabweichungen stattfinden. Manche Schriftsteller machen das sehr subtil, manche eher mit dem Holzhammer. Ironie ist nicht jedem gegeben. Wer Ironie mag, sollte dringend die Werke von Joachim Fernau, Ephraim Kishon und Terry Pratchett lesen, das sind Großmeister ihres Fachs!

 

Achtung: Es nutzt euch sprachlich gar nichts, wenn ihr einfach nur einzelne Besonderheiten aufzählt, die ihr im Text gefunden habt! Viel wichtiger ist es, diese in Einklang mit dem Inhalt zu bringen. Der Satz

Die Autorin benutzt einen Euphemismus.

bringt euch null. Wenn ihr Punkte erhalten möchtet, muss es ungefähr so lauten:

Die Autorin benutzt hier einen Euphemismus für das Wort Krankheit, um zu demonstrieren, wie verklemmt die Hauptfigur mit dem Thema umgeht. Sie kann nicht einmal offen aussprechen, wie krank ihre Mutter ist.

Genauso wenig ist es sinnvoll zu erwähnen, dass die Autorin jede Menge Ellipsen verwendet, wenn ihr anschließend nicht erklärt, welche Wirkung das auf den Text hat.

Also nicht: Der Text ist voller Ellipsen.

Sondern: Die Autorin verwendet auffällig viele Ellipsen, was einzelne Passagen des Textes sehr abgehackt und endgültig erscheinen lässt. Man merkt der Hauptfigur auf diese Weise an, wie verstört und hysterisch sie ist. Sie kann nicht einmal in vollständigen Sätzen denken.

Natürlich gibt es noch ein paar mehr solche rhetorische Figuren. Das waren nur ein paar ganz wichtige, die man auch tatsächlich mal antreffen kann. Wenn ihr noch ein paar mehr kennen lernen wollt, schaut euch unsere ausführlichere Liste an.

Formulierungen
Manche Schüler tun sich ein wenig schwer mit der Deutung bzw. der Erklärung von Deutungen. Dann kommt es seitenweise zu den immer gleichen Formulierungen wie:

  • Die Hauptperson trägt immer einen Schal. Daran kann man erkennen, dass …
  • Während der Geschichte regnet es, daran kann man sehen, dass …
  • Die Geschichte ist in der Ich-Form erzählt. Das erkennt man daran, dass …

Es spricht nichts dagegen, solche Wendungen AUCH zu benutzen, aber wenn man NUR solche dass-Sätze verwendet, wird der Text sehr eintönig.

Kapitel 11: Richtig zitieren

10 Kommentare

  1. Halli hallo,

    ich schreibe übermorgen Abitur und habe lange nach einer Seite gesucht, die mir nochmal komplett den Aufbau der Interpretation einer Kurzprosa klarmacht. Unsere Lehrerin hat das nicht so gut hinbekommen wie Sie.
    Ihre Zusammensfassung ist die Beste, von denen, die ich bisher gelesen habe (und das waren einige!)
    Richtig hilfreich, so ausführlich und vielseitig!
    Vielen Dank und liebe Grüße!
    P.S. Ich mag Ihre Art, zu schreiben sehr gerne!

  2. Guten Tag,

    nach langer, zeitaufwendiger Suche habe ich, zum Glück, diese umfassende und sehr gute Erklärung zum Aufbau und zur Interpretation beziehungsweise Analyse einer Kurzgeschichte gefunden.

    Beim Durcharbeiten der verschiedenen Kapitel werden einem die Vorgehensweise, die möglichen Interpretationsansätze sowie die Dinge, auf welche man besonders achten sollte, sehr deutlich!

    Ich hoffe, dass ich damit morgen die 15 Punkte schreib 😀

    Vielen Dank

  3. Hallo Aslan!

    Denk daran, wie wichtig es ist, ein Oberthema für die Deutung zu finden! Dann läuft die Interpretation von allein.

    Viel Glück auch für dich!

  4. Habe mein Deutschabitur hinter mir und muss sagen, dass ihre Seite sehr geholfen hat! Dank ihnen habe ich das Abitur, auch wenn es eine Geschichte von Kafka war, gut überstanden!

    Auf Grund von Krankheit habe ich vor dem Abitur eine Deutschklausur verpasst und muss sie Morgen nachschreiben. Also noch ein mal durch ihre hervorragende Anleitung geklickt und alles ist wieder aufgefrischt 😉

    Danke hierfür! – Werde mir für meine Englisch-Kommunikationsprüfung nächste Woche ihre Tipps anschauen, Kommentar folgt dann! 🙂

    lg
    Chris

    • Hallo Chris!
      Schön, dass wir helfen konnten. Sehr tapfer, dass du dich Kafka getraut hast.
      Hoffentlich ist auch Englisch gut für dich gelaufen!

      Alles Gute weiterhin für dich!

  5. Danke ihre Tipps helfen mir auf jeden fall weiter ich wollte mich dafür bedanken das sie sich die Zeit für unsere Kommentare geben und wünsche ihnen noch alles gute 😉

  6. Hallöchen,
    Ich schreibe am Mittwoch Abitur und bin glücklicherweise auf diese Seite gestoßen! Eine sehr schöne und ausführliche Erklärung!
    Ich wollte fragen, ob es eine Art Zusammenfassung gibt, da ich gerne nochmal besser verstehen würde, wann man genau von der Analyse in die Interpretation übergeht.
    Viele Grüße und vielen Dank,
    Kasimir

  7. Schreibe bald Schulaufgabe, da geht es genau um das Thema, jedoch habe ich lange nach einer Seite gesucht, die das ausführlich, dennoch leicht erklärt. Endlich gefunden, was ich suchte, danke :)!

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