Kapitel 4: Ich schreibe, also bin ich
Wer möchte, dass seine Texte bei einem breiten Publikum gut ankommen, muss ein paar Gedanken an seine Zielgruppe und die Verständlichkeit seines Stils verschwenden.
Dieses Kapitel betrifft nicht nur den Analyse-Teil eures Aufsatzes, bei dem ihr die Texte anderer Leute untersucht und beurteilt, sondern genauso auch euren eigenen Schreibstil!
Zielgruppe
Einen Hinweis, wer die Zielgruppe des Autors gewesen sein könnte, erhaltet ihr, wenn ihr die Zusatzinformationen über oder unter dem Text durchlest. Dort steht nicht nur der Name des Autors, sondern auch, wo und wann das Schriftstück veröffentlicht wurde. Es ist ein Unterschied, ob der Text in der ZEIT oder im Chrismon abgedruckt wurde.
Die Zielgruppe kann sich hinsichtlich des Alters, des Berufs, der politischen oder religiösen Ausrichtung oder der Bildung unterscheiden. Je nachdem, wird der Autor einen entsprechenden Ton anschlagen.
Das kennt ihr selbst auch: Ihr verhaltet euch unterschiedlich, je nachdem, ob ihr mit euren Eltern, euren Geschwistern, euren Freunden oder Fremden zusammen seid.
Eure „Zielgruppe“ beim Schreiben dieses Aufsatzes sind die Lehrer, die ihn korrigieren, auch das muss euch klar sein. Das heißt nicht, dass ihr rumschleimen müsst und eure eigene Meinung nicht schreiben dürft! Aber das heißt, ihr wählt generell weder eine Sprache, die ihr euren Freunden gegenüber verwendet, noch die Schreibe, in der ihr eure Fanfiction zum „Herrn der Ringe“ verfasst. Also, weder verwendet ihr Umgangssprache (und das bezieht sich nicht nur auf Schimpfwörter) noch das gestelzte, altmodische Deutsch, in dem Fantasy oft übersetzt wird.
Ihr könnt und dürft nicht davon ausgehen, dass die Korrektoren Begriffe wie WoW, Troll oder Phubbing verstehen. Natürlich dürft ihr diese Begriffe verwenden, aber dann müsst ihr sie auch entsprechend erklären.
Verständlichkeit
Zur Verständlichkeit von Texten gibt es einige Studien. Diese Studien haben ein paar ganz klare Hinweise erbracht. Ein Text ist dann verständlich, wenn …
… er gut gegliedert ist.
Das bedeutet, dass einzelne Elemente logisch aufeinander aufbauen, eine bestimmte Reihenfolge verfolgt wird und auf Zusammenhänge und Querverbindungen hingewiesen wird. Außerdem werden Strukturformeln und Absätze zur Kennzeichnungen zusammengehöriger Gedanken verwendet. Auch darüber könnt ihr bei der Analyse Aussagen machen, und natürlich sollten sich eure eigenen Texte erst recht daran halten.
… die Sätze eher kurz sind.
Es gibt sogar ganz genaue Zahlen: Ein Satz ist dann am verständlichsten, wenn er maximal aus 7 bis 10 Wörtern besteht. Daran muss man sich vielleicht nicht immer halten. Andererseits sind Satzgefüge (Hauptsatz+Nebensatz), die sich über ganze Absätze ziehen, unnötig kompliziert und auch oft irritierend für Leser.
Für die Schüler, die ihre Texte hinterher nicht mehr gründlich durchlesen, sind sie obendrein gefährlich: Nicht selten kommt es da vor, dass ein Satz inhaltlich oder sogar grammatikalisch anders endet, als er angefangen hat, und das ist natürlich ein ganz blöder Fehler.
… Informationen/Behauptungen/Erklärungen/Beispiele/Bewertungen auf den Punkt gebracht sind.
Also kein Abschweifen, keine Wiederholungen, keine Nebensächlichkeiten. So bläht man einen Text nur künstlich auf, wenn man eigentlich nichts mehr zu sagen hat.
Manche Schüler schreiben seitenlange Aufsätze und sind dann enttäuscht, weil sie dafür nicht die gewünschte Note bekommen. Hätten sie alles noch einmal gründlich durchgelesen, wäre ihnen vielleicht aufgefallen, dass sie eigentlich nur zwei gute Punkte ausgewalzt und wiederholt haben. Das ist immer das Resultat von fehlender Vorarbeit!
… die Darstellung interessant und anschaulich gestaltet ist.
Wie wir im vorigen Kapitel schon besprochen haben, gibt es für Autoren viele Möglichkeiten einer unterhaltsamen Textgestaltung. Sie können den Leser durch direkte Ansprache z.B. in Form von Fragen mit einbeziehen und ihre Argumente durch lebensnahe, originelle Vergleiche und Beispiele veranschaulichen.
Achtung: Bis auf die guten Vergleiche und Beispiele ist das etwas, das ihr nicht selbst machen sollt! Ihr selbst wendet euch nicht an eine imaginäre Leserschaft! Ihr stellt auch keine Fragen. Bei textgebundenen Erörterung steht ihr im Hintergrund, euer Stil soll durch Sachlichkeit überzeugen.
Gedankenlesen
Viele Schüler ruinieren die Verständlichkeit ihrer Texte dadurch, dass sie davon ausgehen, die Leser – vor allem die Lehrer-Leser – könnten ihre Gedanken lesen.
Ach, die haben den Text ja auch vor sich, die wissen schon, was ich meine. Nein, das wissen die nicht. Und selbst wenn sie es wissen, ist es trotzdem eure Aufgabe, eure Gedankengänge offenzulegen und damit nachvollziehbar zu machen. In Mathe könnt ihr auch nicht einfach das Ergebnis hinschreiben. Okay, ihr könnt, aber dann fehlen euch ebenfalls Punkte, weil man sich fragen wird, wie ihr darauf gekommen seid.
Erklärt euren Lesern also, was euch beim Untersuchen des Textes durch den Kopf geschwirrt ist. Wenn beispielsweise ausgefallene Fremdwörter, Fachwörter oder Anspielungen enthalten sind, dann erklärt sie.
Und was diese Erklärungen betrifft, haltet euch an Denzel Washington in „Philadelphia“: „Erklären Sie’s mir, als wäre ich fünf Jahre alt!“
Kapitel 5: Wie finde ich heraus, worum es geht?